Was passiert, wenn man Rechtsextreme mit juristischen Mitteln aus dem politischen Spiel nimmt, lässt sich gerade in Rumänien beobachten. Der Rechtsextremist, Verschwörungstheoretiker und Kremlfreund Călin Georgescu hatte im November völlig überraschend den ersten Durchgang zu den Präsidentschaftswahlen gewonnen. Daraufhin annullierte das Verfassungsgericht die Wahlen, setzte einen neuen Termin an und schloss Georgescu von den Wahlen aus.
Die Begründung: Einmischung zugunsten Georgescus aus dem Ausland (Russland) und illegale Wahlkampffinanzierung – wobei nur der Tatbestand der illegalen Wahlkampffinanzierung belegt ist.
Und das politische Ergebnis? Ein anderer Rechtsextremist erzielt einen Erdrutschsieg.
George Simion erreichte am Sonntag 41 Prozent der Stimmen. Damit liegt er weit vor dem Zweitplatzierten: Der parteilose Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan kam auf 21 Prozent. Einer der beiden wird am 18. Mai zum Präsidenten Rumäniens gewählt werden.
Der Rechtsextremismus ist also mit juristischen Mitteln in Rumänien nicht zu bremsen. Das lässt sich aus dem Ergebnis des ersten Wahlgangs schliessen. Es wäre allerdings zu einfach, daraus allgemeine Schlüsse über den Umgang mit der rechtsextremistischen Gefahr in Europa zu ziehen. Wer das tut, sollte zunächst ein paar rumänische Besonderheiten berücksichtigen.
Da ist zuerst die lange Protestgeschichte dieses Landes: 2015, 2017 und 2018 kam es regelmässig zu Massenkundgebungen gegen die verbreitete Korruption, teilweise waren Hunderttausende Menschen auf der Strasse. Wenn in diesen Tagen die Rede von der fragilen, jungen rumänischen Demokratie die Rede ist, dann sei daran erinnert, dass die rumänischen Bürger eben auch immer wieder versucht haben, ihre schadhafte Demokratie besser, effizienter, bürgernaher und inklusiver zu gestalten, indem sie Druck ausübten.
Das sollte man würdigen, jetzt, da ein Rechtsextremist über 40 Prozent der Wählerstimmen erhalten hat. Und es sollte auch nicht vergessen werden, dass der Erfolg Simions im Trend der Zeit liegt. Wo ein Trump Erfolg haben kann, da sind Leute wie Simion nicht weit.
So wie Trump ist auch Simion ja nicht vom Himmel gefallen. Er ist das Ergebnis eines verlorenen Kampfes gegen die Korruption. Denn zu einer grundlegenden Änderung kam es trotz der Massenproteste in Rumänien bis heute nicht. Der rumänische Justizapparat und die politische Elite haben dem Druck der Bürger mit einigem Erfolg widerstanden. Sie geniessen auch deshalb nicht gerade das grösste Vertrauen.
George Simion wusste das zu nutzen und attackierte die Justiz aufs Schärfste. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts, Călin Georgescu von den Wahlen auszuschliessen, sagte er:
Diese schwere Gewaltandrohung blieb in weiten Teilen der Gesellschaft unwidersprochen – ob aus stiller Zustimmung oder aus achselzuckender Gleichgültigkeit, das lässt sich nicht eindeutig sagen.
Simion ist ein Katalysator der Wut über nicht eingehaltene Versprechen der Demokratie – so weit, so normal. Und aus seinem Erdrutschsieg lässt sich wohl ablesen, dass die Wut der Rumänen auf ihre Eliten noch grösser ist als in anderen europäischen Ländern. Es ist möglich, dass sie diesen Mann, der aus der Hooliganszene stammt, bis in das Präsidentenamt trägt.
Das könnte für ganz Europa dramatische Auswirkungen haben. Denn Simion hat seine Kritik an der Nato und der EU im Wahlkampf zwar etwas abgeschwächt, allerdings tat er das mit grosser Sicherheit aus wahltaktischen Gründen. Er hat mehrmals betont, dass Russland für ihn keine Gefahr darstelle.
Mit einem Präsidenten Simion würde Rumänien wohl seine Unterstützung für die Ukraine beenden, was für das angegriffene Land schwer zu verkraften wäre. Simion würde sich einreihen in die Liste der EU-feindlichen Regierungschefs wie Ungarns Viktor Orbán und den Slowaken Robert Fico.
Aber neben all dem Zorn der Rumänen, der Simion das Präsidentenamt bescheren könnte, gibt es auch die Hoffnung auf einen zivilisierten, rechtsstaatlichen, demokratischen Kampf gegen das Übel der Korruption – und sie wird durch Nicușor Dan verkörpert, dem parteilosen Bukarester Bürgermeister. Dan ist das Symbol eines Kampfes, der nicht gewonnen ist, aber unvermindert weitergeht. Am 18. Mai geht er in die nächste Runde.
Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.
Sich gegen die EU stellen, alle Entscheidungen blockieren und gleichzeitig finanzielle Mittel unterstützung annehen geht gar nicht. Mal schauen ob sie mit Mütterchen Russland glücklicher sind als in wirtschaftlichen EU Binnenmarkt.
Die Demokratie verliert an Boden und auch die Fähigkeit zu langfristigem Denken.